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Ich habe in die Seele der Andalusier gesehen

Sie ist unergründlich, geheimnisvoll, sehnsuchtsvoll. Und ich habe einen neuen Berufswunsch. Aber der Reihe nach. Wir sind jetzt in Jerez de la Frontera.

Jerez beheimatet einen vom WWF ausgezeichneten Zoo, der sich vor allem mit der Aufzucht und auch Auswilderung bedrohter Tierarten beschäftigt. Zu nennen sind hier die fast ausgestorbenen Pardelluchse, die durch große Anstrengungen mittlerweile wieder in einigen Gebieten der iberischen Halbinsel frei leben. Wie Luchse nunmal so sind: man sieht sie nicht, daher auch keine Fotos.

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Auch Flusspferde brauchen mal Ruhe
Da will uns aber einer beeindrucken!

Auch in Jerez gibt es eine Festung, hier Alcazar genannt.

Auch eine Kathedrale hat Jerez zu bieten.

Und dann der Hauptgrund, warum wir nach Jerez gekommen sind. Jedes Jahr findet hier ein Flamenco Festival statt, für über zwei Wochen treten jeden Abend Künstler auf. Ich bin jetzt nicht der Oberexperte für Flamenco. Ich weiß, hättet ihr nicht vermutet. Aber ich bin nicht mit allzu großen Erwartungen zur Show von Beatriz Morales & Agujetas Chico gegangen. Aber ich darf zugeben, es war ein Highlight unserer bisherigen Reise.

Das 26. Flamenco Festival in Jerez

Zunächst mal hatte ich gedacht, dass „Einer“ da sitzt und Gitarre spielt und „Eine“ halt ein bisschen herum tanzt. Weit gefehlt. Als das Bühnenbild sich öffnet, war eine ganze Band mit Gitarrist, Bassist, Schlagzeuger, zwei Backgroundsänger*innen und einem Blasinstrumentspezialisten (Saxophon, Querflöte, Mundharmonika) zu sehen. Und natürlich der Chef, Agujetas Chico, der zunächst die Einleitung sang. Man muss sich den Gesang wie eine Mischung zwischen Gypsy Kings und dem Ruf des Muezzins vorstellen. Ziemlich ungewohnt für unsere Ohren, eine Art verzweifeltes Schreien und Wehklagen.

Die dazu dargebrachte Musik hat mich als Anhänger seltsamer Rockmusikspielarten nicht abgeschreckt oder verstört, trotz einiger schräger Passagen ging es für mich gut ins Ohr. Vor allem der Saxophonist / Querflötist / Mundharmonikist gab alles.

Schon während des ersten Abschnitts haben wir uns gewundert, warum rechts und links von uns, und natürlich auch vor und hinter uns, das Publikum immer mal wieder mitten in die Musik reinruft. Da wir des spanischen nicht wirklich mächtig sind, haben wir nur vereinzelte „Olès“ herausgehört und verstanden, es gab aber noch ganz andere Beifallsbekundungen. Was mich sehr fasziniert hat, war, dass die Rufe vor allem auch in ruhigen Passagen vorgetragen wurden. Man merkte, wie das Publikum mitging und dahin schmolz.

Um nicht unangenehm aufzufallen, wollte ich Susi dann animieren, auch mitzumachen und mal reinzurufen. Aber selbst die Aussetzung einer Belohnung in Höhe von fünf Euro und die Inaussichtstellung der Erwähnung in meinem Blog konnten Susi nicht überzeugen. Daher musste ich mich dann durchringen, einen fränkischen Beifallsschrei – „Sauber die Haar g’schnitten!“ – beizusteuern. Das habe ich mir allerdings für das Ende der Show aufgehoben, wo sowieso das Publikum Beifall und Applaus spendete. Mir ist bewusst, dass die nächste Stufe das Hineinrufen während einer ruhigen Stelle ist. Aber das habe ich mir aufgehoben für die Ausbildung zu meinem nächsten Wunschberuf: Flamenco Shouter!

Die große Band tritt ab und die beiden Hauptprotagonisten tanzen und singen und spielen ihre Seelen aus dem Leib. Mein Sitznachbar ist schon zu diesem Zeitpunkt so erschöpft, dass er sich nur noch ein kehliges und gehauchtes und geflüstertes „Olé“ abringen kann. Im weiteren Wechsel spielen die ganze Band und dann wieder die beiden Hauptdarsteller, nur kurz unterbrochen von einem Duett der eigentlichen Backgroundsänger. Seit Kate Bush und Peter Gabriel damals nicht aufgaben, habe ich nicht mehr so geweint.

Noch ein Wort zur Tänzerin Beatriz Morales. Ich nehme an, dass sie nach einer solchen Show erst mal ins Sauerstoffzelt verbracht werden muss. Wie Beatriz über die Bühne stolziert, tanzt, schleicht, kriecht, steppt, dreht, schreitet, springt, das ringt einem größte Hochachtung ab. Das Publikum belohnte die Hauptdarstellerin dann auch regelmäßig mit Szenenapplaus und einigen Extra „Olés“.

Es war nicht erlaubt, irgendwelche Aufzeichnungen von der Show zu machen, daher hier nur ein Foto vom Schlussapplaus.

Es gibt ein paar wenige – nicht professionelle – Youtube Videos, in denen Beatriz und Agujetas gemeinsam performen. Here we go…

4 Antworten auf „Ich habe in die Seele der Andalusier gesehen“

Danke Manuela, ist ausgerichtet. Die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit ist wie immer simpel: ich habe mich so gelangweilt während des Konzerts, dass ich eineinhalb Stunden Zeit hatte, den Beitrag in meinem Kopf schon zu verfassen und vorzubereiten. 😉

Du hast dich selbst übertroffen, Manuel!! War ja auch ganz dein Metier…
Dein fränkisches Ole…selten so gelacht. ? Der grandiose Abspann… ein Labsal für mein oberpfälzisches, coronaverkümmertes Musikliebhaberherz.
Ich bin dodal aufgewühlt. OLE!!! ?

Liebe Maxi, die oberpfälzische Seele habe ich schon vor Jahren gesehen. Danach wusste ich: de Bou mou dou wos de Bou dou mou.

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